24. Die Rathauslaube

Neben dem Ratsturm befindet sich der älteste Teil des Rathauses, der sogenannte Saalbau. Er entstand - ebenfalls im gotischen Stil - bereits 1360 anstelle eines älteren Bürgerhauses. Herzstück des gotisches Baus ist der Hansasaal. Ursprünglich nannte man ihn "Langer Saal"; erst im 19. Jahrhundert taufte man ihn in Erinnerung an die "Kölner Konföderation" um, die hier 1367 die Hansestädte zum Krieg gegen den dänischen König Waldemar beschlossen. Köln ist eine der ältesten deutschen Hansestädte. Der hochgotische Hansasaal erinnert in der Architektur an den Kapitelsaal eines Klosters, diente aber ganz profanen Zwecken: mit 219 Quadratmetern Grundfläche und einer Höhe von neuneinhalb Metern war er einer der größten und prächtigsten Versammlungsräume im Heiligen Römischen Reich und wurde u.a. als Gerichtssaal benutzt. Im Zweiten Weltkrieg blieb die mit Fialen geschmückte Südwand stehen, und die dort aufgestellten "Neun Guten Helden", fast zwei Meter hohe Steinplastiken, konnten ebenfalls gerettet werden. Der inzwischen rekonstruierte Hansasaal wird auch heute wieder für repräsentative Empfänge genutzt.

Der romanische Vorgängerbau des Rathauses wurde in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts erstmals urkundlich erwähnt als "das Haus, in dem die Bürger zusammenkommen" (domus in quam cives conveniunt).

Der Ratsturm stand anfangs frei, in einigem Abstand zum Saalbau. Nach 1424 wurden Turm und Saalbau miteinander verbunden. Auch der Saalbau mit seiner Verbindung zum Turm wurde im Zweiten Weltkrieg zum großen Teil zerstört und erst Ende der 60er Jahre wiederaufgebaut. Im August 1972 wurde das "neue" Rathaus wieder in Betrieb genommen. Heute bilden Turm, Saalbau und der nördlich daran anschließende, moderne Verwaltungstrakt (Architekt: Karl Band) eine durchgehende Fassade. Der Übergang vom rekonstruierten mittelalterlichen zum modernen Gebäude wird durch die "Kölner Wand" von Ernst Wille (*1916) optisch akzentuiert. Ursprünglich war eine Verbindungswand aus Glas und Beton geplant. Das 1979/81 geschaffene Relief aus Bronze läßt durch 22.000 Plexiglasstäbe Tageslicht in das hinter der Wand gelegene Treppenhaus hinein. Wie es heißt, soll damit die Arbeit der Stadtverwaltung für den Bürger transparent gemacht werden ...

Während fast der gesamte Rathauskomplex dem Krieg zum Opfer fiel, blieb wie durch ein Wunder die dem Saalbau vorgelagerte Rathauslaube weitgehend unbeschädigt. Dieses Bauwerk im Renaissance-Stil entstand zwischen 1569 und 1573 als Ersatz für eine inzwischen baufällige gotische Vorhalle. Baumeister war Wilhelm Vernukken aus dem niederrheinischen Kalkar, der sich an Plänen des Antwerpener Architekten Cornelis Floris de Vriendt orientierte. Die Rathauslaube wurde bis zum 18. Jahrhundert als Doxal bezeichnet, ein Begriff aus der kirchlichen Architektur. Ein Doxal oder Lettner war eine von Gewölben getragene Empore, die früher in Stifts- und Klosterkirchen den für die Laien bestimmten Kirchenraum vom nur den Stiftsmitgliedern und Geistlichen vorbehaltenen Chor abtrennte. Von der Empore herab wurde der versammelten Gemeinde das Evangelium verkündet. Auch der Kölner Stadtrat rief seine "Gemeinde" auf dem Rathausplatz zusammen, wenn er etwas "von oben herab" zu verkünden hatte. Zur sogenannten Morgensprache traten die beiden Bürgermeister der Stadt auf dem offenen Obergeschoß der Laube zusammen; hinter ihnen standen - auch im übertragenen Sinne - die Ratsherren.

Die Rathauslaube ist reich verziert. Lateinische Inschriften erinnern an die Geschichte des römischen Köln. Die Erinnerung an die glorreiche Vergangenheit der Stadt trug sehr zum Selbstbewußtsein ihrer Bürger bei. Unter anderem lesen wir das Kürzel S.P.Q.AGRIPP., Senatus Populusque Agrippinensium ("Senat und Volk der Kölner"), das angelehnt ist an das S.P.Q.R. (Senatus Populusque Romanorum) auf den Feldzeichen der römischen Legionen. Aus dem 19. Jahrhundert stammt die Inschrift direkt über dem Portal, die sich auf die Restaurierung der Laube unter Kaiser Wilhelm I. bezieht. Medaillons mit römischen Imperatorenköpfen zieren das Fries über den Bögen des Erdgeschosses. In einer Nische auf dem Obergeschoß steht eine Statue, die die Gerechtigkeit, die höchste politische Tugend, personifiziert. Darüber befand sich bis zum Zweiten Weltkrieg die Bronzefigur des "Kölner Bauern"; die Überreste der zerstörten Figur werden jetzt im Kölnischen Stadtmuseum aufbewahrt. Der Kölner Bauer oder "Kölsche Boor" ist auch heute noch sehr populär - in Gestalt "seiner Deftigkeit", des Bauern aus dem Dreigestirn, das die "Jecken" während der Karnevalszeit zusammen mit Prinz und Jungfrau regiert. Die historische Figur steht für die Reichsunmittelbarkeit Kölns; der Freien Reichsstadt wurde dieser lang erkämpfte Status 1475, also knapp 100 Jahre vor der Vollendung der Rathauslaube, von Kaiser Friedrich III. "mit Brief und Siegel" bestätigt. "Reichsunmittelbar" war eine Stadt, die direkt dem Kaiser und keinem lokalen Fürsten (im Falle Kölns: dem Erzbischof) untertan war. In der großen Halle (Piazetta) des historischen Rathauses ist eine Steinfigur des Kölschen Boor aufgestellt. (Mehr zu diesem Thema beim Jan-von-Werth-Denkmal auf dem Alter Markt).

In der Brüstung des Obergeschosses sind drei Reliefs angebracht. Links sieht man Samson vor den Toren der Stadt Gaza im Kampf mit einem Löwen, rechts Daniel in der Löwengrube. Diese biblischen Szenen werden als das historische Vorbild für die Szene in der Mitte zitiert. Es handelt sich um eine Darstellung des sagenhaften Zweikampfes zwischen dem Kölner Bürgermeister Hermann Grin und dem Löwen. Im 14. Jahrhundert ist die Legende erstmals schriftlich belegt. In der Stadtchronik "Agrippina" des Heinrich van Beeck wird sie sogar als genau datiertes, historischer Ereignis aus dem Jahre 1262 abgehandelt.


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