27. Die Mikwe - das Kultbad der mittelalterlichen Judengemeinde

Die Mikwe bildet neben der Synagoge das religiöse Zentrum jeder jüdischen Gemeinde. Es handelt sich um ein Wasserbecken, in dem sich "lebendiges Wasser" (Regen-, Quell-, Fluß- oder Brunnenwasser) angesammelt hat. Das hebräische Wort Mikwe bezeichnet eine Ansammlung lebendigen Wassers. In der 1170 erbauten Kölner Mikwe befindet sich das Wasserbecken auf dem Boden eines 15 Meter tiefen Brunnenschachtes. Je nach dem Wasserstand des Rheins steigt oder fällt der Grundwasserpegel. Bei mittlerem Rheinwasser hat der steinerne Badetrog eine Tiefe von 70 Zentimetern. Man erreicht das Becken über eine aus fünf Treppenläufen bestehende Steintreppe, die an den Außenwänden nach unten führt, vorbei an Abstellnischen und Kammern für die Kleiderablage.

In der Mikwe wird die kultische Reinheit durch das Tauchbad hergestellt und die Unreinheit symbolisch abgewaschen. Das lebendige Wasser diente ebenso zur Weihe kultischer Geräte wie zur Reinigung von Personen. Nach Verstößen gegen die levitischen Reinheitsgesetze wie z.B. der Berührung eines Toten oder dem Genuß nicht koscherer Speisen war das Bad in der Mikwe unerläßlich, um wieder am Gemeinschaftsleben teilnehmen zu können. Die strengen Reinigungsvorschriften betrafen besonders die Frauen; nach der Menstruation oder der Entbindung mußten sie in die Mikwe steigen - und das bei einer durchschnittlichen Wassertemperatur von 8º Celsius!

Das jüdische Kultbad wurde erstmals 1270 schriftlich erwähnt und als Puteus Judaerorum, "Judenpütz" bezeichnet. Im Gegensatz zur in der Nähe befindlichen Badestube, die ihre Wärme von einem angrenzenden Backhaus empfing, wurde die Mikwe noch bis 1424 "Kaldenbad" bzw. "Kaltenborn" genannt. Auch nach der Vertreibung der Juden existierte sie mehr als hundert Jahre neben der Ratskapelle und wurde noch 1553 als "Pütz, der Kaltenborn heißt" bezeichnet. Doch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde der Brunnen zugeschüttet und mit einem kleinen Schacht versehen; fortan mißbrauchte man die Mikwe als Abfallgrube und Kloake.

Erst 1956 legte man sie wieder frei. 1990 wurde die Stahl-Glaspyramide als Oberlicht darüber gesetzt. Im Mittelalter war der Badeturm mit einer "Laterne", d.h. einer geöffneten Kuppel, bekrönt gewesen.

Während der Öffnungszeiten des Rathauses kann man die Mikwe problemlos besichtigen. Man fragt beim Pförtner des historischen Rathauses nach dem Schlüssel, der jedem Interessierten gegen Hinterlegung des Personalausweises ausgehändigt wird. Hin und wieder gibt es auch öffentliche Führungen, die von verschiedenen Veranstaltern angeboten werden (z.B. Museumsdienst oder inside Cologne City Tours). In der Mikwe sind zwei Informationstafeln zum Gebäude und zur Geschichte des Judenviertels angebracht.


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